6.10.1956
Mit Erlangen des Staatsvertrages im Mai 1955 ist Österreich kein von den alliierten Mächten besetztes Gebiet mehr, sondern ein souveräner Staat und außenpolitisch voll handlungsfähig. Am 6. Oktober 1956 übermittelt das Wiener Außenministerium eine Note an die italienische Regierung, in der alle Beschwerdepunkte dargelegt werden und Italien zu Verhandlungen aufgefordert wird. Italien erklärt sich aber nur zu unverbindlichen „Gesprächen“ bereit. Verhandlungen lehnt Rom mit der Begründung ab, dass das Pariser Abkommen auch in Bezug auf die Autonomie durchgeführt sei und damit Österreich das Recht verloren habe, sich in die Frage amtlich einzuschalten.
17.11.1957
Am 15. Oktober 1957 trifft beim Bozner Bürgermeister ein Telegramm des Ministers für öffentliche Arbeiten ein, in dem mitgeteilt wird, dass Rom 2,5 Milliarden Lire für die Errichtung eines neuen Stadtteiles mit 5.000 Wohnungen, dazu Kirchen und Gebäude für soziale und öffentliche Dienste zur Verfügung stelle. Die Südtiroler empfinden dies als Schritt zur weiteren Förderung der Zuwanderung und verstärkten Italianisierung Bozens. In einer Massenkundgebung auf Schloss Sigmundskron protestieren am 17. November 1957 35.000 Südtiroler gegen die Unterwanderung ihrer Heimat, gegen die Nichterfüllung des Pariser Vertrags und fordern mit dem „Los von Trient!“ eine eigene Autonomie für Südtirol. (Bild S. 60) Am 16. Jänner 1959 erlässt die Regierung die Durchführungsbestimmungen zum Artikel des Autonomiestatuts, mit dem der Provinz Bozen gesetzgeberische Zuständigkeiten im sozialen Wohnbau eingeräumt worden waren. Mit diesem Dekret werden die im Autonomiestatut zuerkannten Befugnisse in wesentlichen Punkten stark beschnitten und quasi außer Kraft gesetzt. Als Protest kündigt die Südtiroler Volkspartei am 31. Jänner 1959 die Zusammenarbeit mit der DC in der Region auf und geht in die Opposition. Die beiden Mitglieder in der Regionalregierung werden abberufen. Zwei Tage nach dem Bruch in Trient fährt die Parteileitung der Südtiroler Volkspartei nach Wien, um der österreichischen Bundesregierung Bericht zu erstatten.
21.9.1959
Der österreichische Außenminister Bruno Kreisky kündigt in der Vollversammlung der Vereinten Nationen an, dass Österreich die nächste UNO-Vollversammlung im Herbst 1960 ersuchen werde, sich mit der Südtirolfrage zu befassen, falls in der Zwischenzeit die italienisch-österreichischen Gespräche kein Ergebnis zeigen sollten. Da keinerlei Fortschritte erzielt werden, lässt Österreich das Thema Südtirol auf die Tagesordnung der 15. UNO-Vollversammlung setzen.
31.10.1960
Nach 14-tägiger Debatte im Politischen Sonderausschuss genehmigt die Vollversammlung der Vereinten Nationen einstimmig eine Entschließung zur Südtirolfrage. Die Entschließung fordert beide Staaten zu Verhandlungen auf, um alle Meinungsverschiedenheiten zum Pariser Abkommen zu bereinigen. Sollten die Verhandlungen in angemessener Zeit kein Ergebnis bringen, wird den beiden Vertragspartnern empfohlen, sich eines in der UN-Charta vorgesehenen friedlichen Mittels zu bedienen. Damit haben die Vereinten Nationen Österreichs Berechtigung bekräftigt, sich für Südtirol einzusetzen. Gemäß Auftrag der UNO treffen sich die Außenminister beider Staaten im Jänner, Mai und Juni 1961 in Konferenzen, die im Wesentlichen ergebnislos bleiben. Italien erklärt sich nur zu einer besseren Durchführung des vorliegenden Autonomiestatuts bereit, widersetzt sich aber jeder Abänderung der statutarischen Bestimmungen. Daraufhin geht Österreich im November 1961 erneut zur UNO, deren Vollversammlung am 18. November 1961 die Resolution des Vorjahres erneuert.
1.9.1961
Der italienische Ministerrat setzt die Neunzehnerkommission ein. Ihr wird die Aufgabe übertragen, alle Aspekte der Südtirolfrage zu beleuchten und der Regierung Vorschläge zu unterbreiten. Sie setzt sich aus sieben deutschsprachigen Südtirolern, einem Ladiner und elf Italienern zusammen. Die Neunzehnerkommission muss auch in Zusammenhang mit der Feuernacht in Südtirol vom 11. Juni 1961 gesehen werden, bei der Dutzende Hochspannungsmasten in die Luft gesprengt werden. Die Anschläge rücken Südtirol in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit der europäischen Öffentlichkeit. Die Kommission schließt ihre Arbeiten am 10. April 1964 ab. Sie macht sich einen Gutteil der Südtiroler Forderungen zu Eigen, aber sehr wichtige Punkte bleiben noch offen. Unmittelbar nach Abschluss findet am 25. Mai in Genf eine Konferenz zwischen den Außenministern Bruno Kreisky und Giuseppe Saragat statt. Sie beschließt die Einsetzung einer italienisch-österreichischen Expertenkommission. Grundlage für diese Besprechungen sind die Ergebnisse der Neunzehnerkommission, die auf diese Weise auf die internationale Ebene gehoben werden. Bei den Beratungen in Genf können einige strittige Punkte geklärt werden. Kreisky und Saragat treffen noch zweimal, im September und Dezember 1964, zusammen, doch genügen die erzielten Verbesserungen nach Auffassung der Südtiroler noch nicht. In den folgenden Jahren kommt es zu österreichisch-italienischen Expertengesprächen im kleinen Kreis und schließlich zu Verhandlungen zwischen dem Südtiroler Landeshauptmann Silvius Magnago und Ministerpräsident Aldo Moro. Die Resultate der Genfer Besprechungen können noch konkret ausgeweitet werden.