Jugendhauses Hahnebaum

Das Jugendhaus in Passeier

Jugendhauses Hahnebaum

ab 1919

Südtirol nach 1918

10.9.1919
Mit dem Friedensvertrag von Saint Germain wird Tirol südlich des Brenners zu Italien geschlagen. Der amerikanische Präsident Woodrow Wilson, der nicht an diese Zusage aus dem Londoner Vertrag von 1915 gebunden ist, stimmt nach längerem Zögern der Teilung Tirols zu. Italien erhält im Friedensvertrag keinerlei Auflage für den Schutz der deutschen und slowenischen Minderheiten. König Viktor Emanuel III. sichert zwar in seiner Thronrede am 1. Dezember 1919 den neuen Provinzen „sorgfältige Wahrung der lokalen Institutionen und der Selbstverwaltung“ zu, doch gewährt das vorfaschistische Italien den Südtirolern keine besonderen Rechte. Die ladinischen Täler werden auf die drei Provinzen Bozen, Trient und Belluno aufgeteilt.

28.10.1922
Am 28. Oktober 1922 treten die Faschisten den Marsch auf Rom an. Am nächsten Tag übergibt König Viktor Emanuel dem Führer (Duce) der faschistischen Partei Benito Mussolini die Regierung und damit die Macht im Staate.
Die Faschisten haben sich die Eliminierung der deutschen Kultur in den neu gewonnenen Gebieten zum Ziel gesetzt. Man kann ihr Programm dabei in drei Abschnitte unterteilen: Entnationalisierung der Südtiroler, Massenansiedlung von Italienern und Aussiedlung der Südtiroler. Mit Dekret des faschistischen Präfekten wird Unterricht in deutscher Sprache verboten und unter Strafe gestellt. Lehrpersonen, die beim Deutschunterricht ertappt werden, kommen ins Gefängnis beziehungsweise werden auf Strafinseln oder in abgelegene Orte Süditaliens verbannt. Alle deutschen Lehrpersonen werden des Dienstes enthoben oder in andere Provinzen versetzt. Ebenso werden alle deutschen Beamten entlassen und keine neuen mehr eingestellt. Kanonikus Michael Gamper schafft mithilfe von mutigen Lehrkräften ein über das ganze Land verbreitetes Netz von deutschen Geheimschulen (Katakomben Schulen). Der Klerus erzwingt den Religionsunterricht in der Muttersprache. Dieser muss allerdings in Räumen außerhalb der Schulen erteilt werden.

1923
1923 werden italienische Ortsnamen eingeführt und der Namen Tirol verboten.

1925
Italienisch ist seit 1925 alleinige Amtssprache. Alle deutschen Verbände (Bauernbund, Gewerkschaften) und Vereine (Alpenverein, Turnverein usw.) werden aufgelöst und ihr Vermögen wird eingezogen. Alle öffentlichen Ankündigungen, Wegweiser, Aufschriften, Firmenschilder u. Ä. müssen italienisch abgefasst werden. Alles Deutsche ist aus dem öffentlichen Leben verbannt.

20.2.1935
Trotz aller Ge- und Verbote kann Südtirol nicht zu einem italienischen Land gemacht werden. Der Faschismus leitet also die zweite Phase ein. Am 20. Februar 1935 erteilt Mussolini der Großindustrie in Mailand und im Piemont den Auftrag, Niederlassungen in Bozen zu gründen. Er unterstreicht dabei besonders das „hohe politische Interesse“, das mit dieser Maßnahme verbunden sei. Die Baugründe, etwa 300 Hektar am Südrand der Stadt, werden enteignet und im Spätsommer 1935 in Besitz genommen. 50.000 Obstbäume und Abertausende Weinreben werden kurz vor der Ernte vernichtet.

1937
Anfang 1937 nehmen die Zweigbetriebe der Lancia-Werke von Turin, die Stahlwerke von Mailand, das Aluminiumwerk der Montecatini und das Magnesiumwerk ihre Produktion auf. Um sie konkurrenzfähig zu machen, erhalten sie eine Vergünstigung der Frachtspesen, Steuererleichterungen und Gebührenbefreiungen. Gleichzeitig mit dem Aufbau der Industriezone werden Tausende italienische Familien in Bozen angesiedelt. Südtiroler dürfen in den Werken nicht beschäftigt werden.

7.5.1938
Deutsche Truppen rücken in Österreich ein. Das Dritte Reich Adolf Hitlers hat damit eine direkte Grenze mit Italien am Brenner. Hitler hat aus seiner Einstellung dem Schicksal der Südtiroler gegenüber nie einen Hehl gemacht. Der Diktator will den italienischen Amtskollegen Benito Mussolini als Verbündeten gewinnen, wobei Südtirol einen nicht geringen Störfaktor darstellt. Anlässlich seines Staatsbesuchs in Rom erklärt Hitler in einem Trinkspruch am 7. Mai 1938: „Es ist mein unerschütterlicher Wille und mein Vermächtnis an das deutsche Volk, dass es die von der Natur uns beiden aufgerichtete Alpengrenze immer als eine unantastbare ansieht.“

22.6.1939
In Berlin wird das deutsch-italienische Abkommen zur Umsiedlung der Südtiroler geschlossen („Option“). Sie können bis zum 31. Dezember 1939 für die deutsche Staatsbürgerschaft optieren mit der Verpflichtung der Auswanderung oder für die Beibehaltung der italienischen, wonach sie aber keinen Schutz für ihr Volkstum mehr in Anspruch nehmen können. Wer nicht optiert, bekennt sich zur Beibehaltung der italienischen Staatsbürgerschaft. Als diese Vereinbarung am 29. Juni bekannt wird, geht eine Welle der Empörung durch das Land. Die Männer aus den Kreisen des von den Faschisten aufgelösten Deutschen Verbandes (der sich 1921 aus dem Zusammenschluss der Christlich-Sozialen und der Liberalen Partei gebildet hat) und die im „Völkischen Kampfring Südtirols“ (VKS) organisierte Jugendgruppe sind sich in der Ablehnung einig. Am 22. Juli schwenkt der VKS überraschend um und beginnt, Stimmung für die Option zu machen. Rom will vor allem das Bürgertum und die Intellektuellen loswerden. Die Landbevölkerung, besonders in den Tälern, soll bleiben können. Der Reichsführer-SS Heinrich Himmler, den Hitler mit der Durchführung der Option beauftragt hat, will aber reinen Tisch machen. Das Land soll von seinen deutschen Bewohnern restlos geräumt werden. In den ersten Monaten üben die staatlichen Stellen massiven Druck für das Optieren aus, damit sich die deutschsprachige Bevölkerung zur Auswanderung entschließt. Erst in den letzten drei Monaten startet der VKS, der seit Jahren eine kapillare Organisation in allen Orten aufgebaut hat, eine intensive Propagandawelle für die Option. Dagegen stemmt sich nur der kleine Kreis des Deutschen Verbandes um Kanonikus Michael Gamper, den ehemaligen Abgeordneten Paul von Sternbach und den Bozner Kaufmann Erich Amonn. Zu diesen stößt eine kleine Schar Jugendlicher, der es aber kaum gelingt, sich zu organisieren. Gegen die Option spricht sich auch der größte Teil der Geistlichkeit aus.

1.1.1940
Am 31. Dezember 1939 läuft die Optionsfrist ab. Dem amtlich verlautbarten Ergebnis zufolge haben in der damaligen Provinz Bozen (ohne Unterland) 166.488 und in den Provinzen Trient (inklusive Südtiroler Unterland), Udine (Kanaltal) und Belluno (Buchenstein) 16.572 für Deutschland optiert. Die Zahl der Nichtoptanten wird mit 63.017 in der Provinz Bozen und 19.530 in den anderen drei Provinzen angegeben. Diese Zahlen sind sicher im italienischen Sinne korrigiert worden. Verlässlichen privaten Quellen zufolge haben sich von den 246.036 Optionsberechtigten der heutigen Provinz Bozen mit dem Unterland 211.799 für die deutsche Staatsbürgerschaft entschieden und 34.237 für die Beibehaltung der italienischen. Die Option reißt tiefe Gräben auf. Die Minderheit der Nichtoptanten, der sogenannten Dableiber, ist schweren Anfeindungen und Übergriffen vonseiten der Optantenmehrheit ausgesetzt. Von den für Deutschland Optierenden wandern 75.000 ab. Die von einigen verständnisvollen Amtspersonen der deutschen Umsiedlungsämter angewandte Verzögerungstaktik, aber vor allem der Gang der Kriegsereignisse verhindern die volle Durchführung der Umsiedlungspläne.

8.9.1943
Italien schließt mit den Alliierten einen Waffenstillstand. Deutsche Truppen besetzen daraufhin den größten Teil des Landes bis Neapel. Der Tiroler Gauleiter Franz Hofer wird zum Obersten Kommissar der sogenannten Operationszone Alpenvorland ernannt, die aus den Provinzen Bozen, Trient und Belluno besteht. Der Kommissar stellt in Südtirol vier Polizeiregimenter auf, zu denen auch Nichtoptanten eingezogen werden. Auf die Verweigerung des Einberufungsbefehls steht die Todesstrafe. Für die Familien der Kriegsdienstverweigerer führt Hofer die Sippenhaft ein. Sie werden in das berüchtigte Arbeits- und Durchgangslager in der Kaiserau bei Bozen eingeliefert. Trotz aller Strafandrohungen entziehen sich 276 Südtiroler der Einberufung. Wegen Widerstandes gegen das Naziregime werden bis Kriegsende 24 Südtiroler erschossen, 166 in Konzentrationslager und 140 ins Gefängnis gebracht. 8.025 Südtiroler sterben bei Kampfhandlungen.

Mai 1945
Die Oberbefehlshaber der deutschen Streitkräfte in Italien unterzeichnen ohne Wissen des deutschen Hauptquartiers mit den Alliierten einen Waffenstillstand zum 30. April. Sie ersparen damit den Tirolern südlich und nördlich des Brenners den Bombenhagel der alliierten Luftwaffe, da Hitler auf einer Verteidigung der „Alpenfestung“ besteht. In den ersten Maitagen rücken die Alliierten in Südtirol ein. Am 8. Mai gründet der Bozner Kaufmann Erich Amonn mit einer Gruppe Gleichgesinnter die Südtiroler Volkspartei. Sie verlangt für Südtirol das Selbstbestimmungsrecht. Die Partei wird von den Alliierten sofort anerkannt, weil sie aus der Südtiroler Widerstandsbewegung „Andreas-Hofer-Bund“ hervorgegangen ist. Der Bund ist im November 1939 von jungen Südtiroler Nichtoptanten gegründet worden. Die Geheimorganisation leitet eine intensive Propaganda gegen die Abwanderung in die Wege und nimmt bereits im Frühjahr 1943 mit den westlichen Alliierten Fühlung für eine rasche Beendigung des Krieges und für die Rückgliederung des Landes an Österreich nach Kriegsende auf.

5.9.1946
Am 1. Mai 1946 weisen die Außenminister der vier Großmächte (USA, Großbritannien, Frankreich und Sowjetunion) die österreichische Forderung einer Volksabstimmung in Südtirol endgültig ab. Am 24. Juni lehnen sie auch den Antrag auf kleine Grenzberichtigungen ab. Auf Drängen der Westmächte kommt es am Rande der Pariser Friedenskonferenz zum Abschluss eines Schutzvertrages für das wiederum Italien überantwortete Südtirol. Das Abkommen wird vom italienischen Ministerpräsidenten Alcide Degasperi und dem österreichischen Außenminister Karl Gruber unterzeichnet. Nach dem Namen der beiden Unterzeichner wird es vielfach Gruber-Degasperi- Abkommen genannt. Der Vertrag sichert den Südtirolern besondere Maßnahmen zur Erhaltung des Volkscharakters sowie der wirtschaftlichen und kulturellen Entwicklung zu. Dazu zählen Schulen in der Muttersprache, Gleichstellung der deutschen Sprache, Gleichberechtigung bei der Einstellung in den öffentlichen Dienst, Revision der Option von 1939, Anerkennung von im Ausland erworbenen Studientiteln, erleichterter Warenaustausch zwischen Nord- und Südtirol und als wichtigste Klausel die Gewährung einer Autonomie für die Provinz Bozen. Das zweiseitige italienisch-österreichische Südtirolabkommen wird als integrierender Bestandteil in den Friedensvertrag der Alliierten mit Italien aufgenommen. Mit dieser Einfügung ist Südtirol zu einem internationalen Thema geworden.