Foto: Rehbock im eingezäunten Wildschutzgebiet Hahnebaum-Ganderberg. Von 1982-1992 wird das Rehforschungsprojekt Hahnebaum ins Leben gerufen. Alle Bilder Ulrich Wotschikowsky
– 1982 – 1992:
Das angrenzende, ca. 500 ha große Wildschutzgebiet Hahnebaum-Ganderberg wird eingezäunt und dient fortan als Lehr- und Forschungsrevier. Der Deutsche Wissenschaftler Ulrich Wotschikowsky leitet das Rehforschungsprojekt Hahnebaum und betreut im Auftrag des Wildbiologischen Institutes in München u. a. weitere Feldversuche in aller Welt. Verschiedenste Symposien, Tagungen, Referate und Publikationen folgen, welche in Fachkreisen große Anerkennung finden.
Othmar Larcher leitet ab 1990 bis zu deren Schließung die Jägerschule in Hahnebaum.
Ein Meilenstein für die Jagd in Südtirol
Im Jahr 1984 hat das Land Südtirol im europäischen Jagdwesen einen Meilenstein gesetzt: Die Jägerschule Hahnebaum wurde eröffnet. Damit nahm die zukunftsweisende Idee des langjäährigen Landesjägermeisters Ludwig von Lutterotti Gestalt an, der sich immer schon eine professionelle Betreuung der Südtiroler Jagdreviere durch gut ausgebildete Berufsjäger gewünscht hatte. Und so rückten denn in jenem ersten Jahr 15 Südtiroler Jäger zwischen 19 und 35 Jahren an, um erneut die Schulbank zu drücken. Fast alle hatten eine abgeschlossene Berufsausbildung hinter sich, und natürlich hatte jeder die Jägerprüfung gemacht. Nun aber stellten Alfons Heidegger und Ulrich Wotschikowsky alles auf den Prüfstand, was sie sich bisher jagdlich angeeignet hatten. Sie bekamen ganz neue Dinge zu hören. Sie erlernten die Grundzüge von Ökologie und Wildbiologie, gewannen neue Einsichten in Naturschutz, Landwirtschaft und Forstwirtschaft, mussten komplizierte Gesetzes- und Verwaltungsvorschriften büffeln und sogar lernen, wie man vernünftig diskutiert oder einen Leserbrief schreibt. Erfahrene Praktiker brachten ihnen bei, wie man einen Jagdhund abführt, Wildbret küchenfertig herrichtet und Hochsitze baut. Sechs Monate lang, von Montag früh bis Freitag am Nachmittag, von Anfang April bis Ende Oktober bei einem Monat Pause. Gleichzeitig hatte im Lehrrevier Hahnebaum unter der Leitung von Ulrich Wotschikowsky ein auf zehn Jahre angelegtes wildbiologisches Forschungsprojekt an Rehen begonnen. Dazu waren 330 ha Bergwald rehdicht eingezäunt worden. Man wollte herausfinden, durch welche Faktoren eine Rehpopulation unter den rauen Hochgebirgsbedingungen reguliert wurde. Über hundert Rehe wurden gefangen und mit Ohrmarken versehen, mehrere Dutzend auch mit Halsbandsendern ausgerüstet. Hundertsechzig Rehe wurden geschossen – manche Jäger in Passeier meinten, das käme der Ausrottung gleich, aber am Ende waren es wieder ungefähr genauso viele wie am Anfang. Für die Kursteilnehmer war das Forschungsprojekt ein interessantes Studienobjekt. Sie lernten die Arbeit der Wildforscher kennen und konnten die Folgen hoher und geringer Wilddichte unmittelbar erfahren. In der Fachwelt hat das Rehprojekt tiefe Spuren hinterlassen. Man weiß heute besser Bescheid darüber, wie Rehe mit hochalpinen Bedingungen zurechtkommen und wie man sie bejagen kann. Bevor sich das Land Südtirol entschloss, die Ausbildung der Jagdaufseher nach Latemar zu verlegen, waren 160 Mann durch die sechsmonatige Ausbildung in dem entlegenen Weiler Hahnebaum gegangen.
© Interview mit Forschungsleiter Ulrich Wotschikowsky, 2014, Fotos Ulrich Wotschikowsky